Kopenhagen (AFP) — Jede vierte junge Frau in Grönland hat schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. In kaum einem Land der Welt ist die Selbstmordrate so hoch wie auf der zu Dänemark gehörenden Insel, wie eine Studie der grönländischen Gesundheitsbehörde belegt. Vor allem junge Grönländer zwischen 15 und 29 Jahren begehen häufig Selbstmordversuche, wie der Leiter der Studie, Peter Bjerregaard, sagte. 25 Prozent der jungen Frauen und 17 Prozent der jungen Männer hätten bereits einen Suizidversuch unternommen.
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Suizidgefahrhilfe im Internet
"Der Mensch kann die Krone der Schöpfung bleiben, wenn er begreift, dass er sie nicht ist." - Carl Amery
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Donnerstag, August 28, 2008
Sonntag, April 06, 2008
Rassismus gegen Sexismus?
Wissenschaftler und Studenten des "Stereotyping & Prejudice Research Larboratory" der Universität Chicago (Correll, Park, Judd & Wittenbrink, 2002; Correll, Park, Judd, Wittenbrink, Sadler & Keesee, in press; Correll, Urland & Ito, 2006) entwickelten einen psychologischen Test, bei dem man auf insgesamt 100 schwarze (farbige) oder weiße Männern trifft, die entweder eine Pistole oder ein Handy in der Hand halten und auf die man schießen muss, wenn sie bewaffnet sind. Die meisten, die an diesem Test teilnehmen, schießen demnach schneller auf einen Schwarzen als auf einen Weißen, allerdings kehrt sich das Verhältnis von "erschossenen" schwarzen zu weißen Unbewaffneten, um. Und dies unabhängig von der jeweiligen Hautfarbe der Testperson. Ich hab den Test auch mal gemacht und konnte das vorhergesagte Ergebnis tatsächlich bestätigen. Die Entwickler des Tests gehen davon aus, dass unbewusste Vorgänge dafür verantwortlich sind, die mit der derzeitigen politischen Situation in den USA zusammenhängen. Obwohl ich nicht in den USA lebe und kein Amerikaner bin, bestätigten sich die Ergebnisse auch bei mir. Wir leben halt in einer seit Jahrhunderten von Weißen dominierten Welt. Die meisten Amerikaner hätten unbewusste Vorurteile gegen Schwarze (bzw. Farbige) - das will der Test beweisen - aber auch gegen weibliche Personen in politischen Führungspositionen und dies spiele bei der anstehenden Wahl in den USA eine wichtige Rolle, so Nicholas D. Kristof, Kolumnist bei der New York Times. Beim ersten Blick könnte man also meinen, dass Barack Obama deswegen von vornherein schlechtere Karten habe als Hillary Clinton. Allerdings hätten Experimente gezeigt, dass das Gehirn in weniger als in einer Zehntelsekunde Menschen nach der Rasse kategorisiert, in weniger als einer Fünftelsekunde jedoch nach dem Geschlecht. Entwicklungspsychologen glauben, dass es bei uns - als Überbleibsel aus Höhlenmenschenzeit - ein tief verwurzeltes, Misstrauen gegenüber Menschen gebe, die einer anderen, fremden, Gruppe angehören. Damals, in der Steinzeit, konnte dies mitunter ja auch lebensrettend sein. Diese angeborene Feindseligkeit gebe es allerdings nicht in Richtung der Frauen, obwohl Männer den entwicklungspsychologisch erklärbaren Wunsch hätten, Frauen zu kontrollieren. Dennoch scheint Rassismus einfacher zu überwinden zu sein als Sexismus, wie verschiedene Experimente belegten (an die Hautfarbe erinnerten sich Versuchspersonen seltener als an die Zugehörigkeit zum jeweiligen Basketball-Team; allerdings erinnerte man sich immer daran, ob jemand weiblich oder männlich war). Infolge der evolutionspsychologisch zu begründenden Unterschiede in der Betrachtung von Rassen gegenüber der jeweiligen Geschlechtszugehörigkeit sei es gegenüber Frauen schwieriger als gegenüber Schwarzen, diese tiefsitzenden Vorurteile zu überbrücken, aber nicht unmöglich. Alice Eagley, Sozialpsychologin der Universität Northwestern (USA), konstatiert, dass das Geschlecht generell zwar über die Rassenzugehörigkeit triumphiere, jedoch die Beeinflussung durch letztere leichter zu überwinden sei. Frauen seien nachwievor unterrepräsentiert in amerikanischen Führungspositionen, weil eine solche Position nicht in das Bild von Frauen passe. Diejenigen Frauen, die es bis in diese Positionen geschaftt haben, würden von den Männern in der Regel auch als besonders kalt und gefühlsarm wahrgenommen. So wie Hillary Clinton, die als besonders kalt wahrgenommen wird und somit nicht ins gängige Weibchenmuster passt (warmherzig, lieb und nett und immer schön lächeln). Entscheiden also die Wahl in den USA letztendlich auch tief verwurzelte Vorurteile? Hätte Frau Merkel neben Herrn Obama auch nur den Hauch einer Chance gehabt...?
Quelle: TheNewYorkTimes, Nicholas D. Kristof
The Police Officer's Dilemma
Project Implicit -(weitere Tests zum Thema unbewusste Beeinflussungen)
Quelle: TheNewYorkTimes, Nicholas D. Kristof
The Police Officer's Dilemma
Project Implicit -(weitere Tests zum Thema unbewusste Beeinflussungen)
Freitag, Dezember 28, 2007
Aufgeflogen
Er wollte Oberbürgermeister werden. Dafür erfand K. S. einen Doktortitel. Als man ihm auf die Schliche kam, erfand er einen Gehirntumor. Jetzt wurde ihm der Prozess gemacht - mittlerweile ist er arbeitslos und macht eine Therapie. weiterlesen
Zu dieser ganzen Geschichte fiel mir ein Zitat von Logan Pearsall Smith aus dem Buch von Robert D. Hare ein ("Gewissenlos - Die Psychopathen unter uns"): "Ein Charmeur schöpft seine Möglichkeiten stets voll aus und wird sich immer so schändlich benehmen, wie die Welt es ihm gestattet."
Zu dieser ganzen Geschichte fiel mir ein Zitat von Logan Pearsall Smith aus dem Buch von Robert D. Hare ein ("Gewissenlos - Die Psychopathen unter uns"): "Ein Charmeur schöpft seine Möglichkeiten stets voll aus und wird sich immer so schändlich benehmen, wie die Welt es ihm gestattet."
Freitag, Dezember 14, 2007
Unsinn Todesstrafe
Gerade eben las ich die Nachricht über die Abschaffung der Todesstrafe im US-Bundesstaat New Jersey. Eine tolle Nachricht und wieder einmal ein Beispiel dafür, dass Demokratie funktionieren kann. Die Gegner der Todesstrafe verweisen unter anderem auf die Südstaaten, wo es sehr viele Hinrichtungen gibt, die Kriminalitätsrate jedoch keineswegs geringer ist, ganz im Gegenteil. Warum ist das so? Warum kann die Todesstrafe nicht abschreckend wirken? Ich glaube, dass der Grund im allgemeinen Bewusstsein über den Wert eines Menschenlebens liegt. Der Mensch lebt ja immer in Interaktion mit seiner Umwelt und reagiert unmittelbar auf sie, weswegen sein Verhalten zu einem großen Teil ein Spiegel seiner Umwelt ist. Siehe zum Beispiel Albert Bandura und seine Theorie des Modelllernens. Wenn ein Mensch in einer gewalttätigen Umwelt groß wird und als Reaktion von Gewalt wiederum Gewalt erlebt, dann ist Gewalt natürtlich auch mit gewalttätigen Lösungen assoziert. Die Medien überfluten die Menschen von Kindesbeinen an mit Gewalt als Lösung für Probleme und der die Todesstrafe befürwortende Staat propagiert Gewalt ebenfalls als Lösung. Der Mensch kennt in diesem Fall nichts anderes und ist sozusagen auf Gewalt programmiert. Umprogrammierungen sind möglich, aber allein schwer umzusetzen. Die Befürworter der Todesstrafe glauben anscheinend allen Ernstes, dass allein durch die Androhung von Bestrafung ein jahrzehntelanger Lernprozess rückgängig gemacht werden kann.
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Donnerstag, Dezember 06, 2007
Mit der Kraft der Gedanken
Im Jahr 2005 erlitt der Schauspieler Peer Augustinski einen Schlaganfall. Seitdem ist er halbseitig gelähmt. Ein Schicksal, das mit ihm jährlich rund 250.000 Menschen in Deutschland teilen. Eine von dem Psychologen und Neurobiologen Niels Birbaumer entwickelte Therapie gibt neue Hoffnung. Peer Augustinski ist einer von mehreren Patienten, an denen die sehr erfolgreiche neuro-physiologische Methode getestet wird. Quelle
Sonntag, September 16, 2007
Bewusstsein nach Colin McGinn
"Der Ursprung des Bewusstseins bedient sich irgendwie jener Eigenschaften des Universums, die dem Urknall vorausgegangen sind und ihn erklären. Bewusstsein ist somit älter als Materie im Raum. Unser Gehirn muss über Eigenschaften verfügen, die in unserer gegenwärtigen physikalischen Weltsicht nicht repräsentiert sind, also Eigenschaften, die wir nicht im geringsten verstehen. Unsere Einsicht der Realität ist demzufolge grundlegend unvollständig. Bewusstsein ist eine Anomalie in unserer gegenwärtigen Weltsicht."
Colin McGinn, Buch: "Wie kommt der Geist in die Materie?"
Colin McGinn, Buch: "Wie kommt der Geist in die Materie?"
Freitag, August 24, 2007
Mittwoch, Mai 23, 2007
Was ist los mit Darth Vader´s Psyche?
Anakin Skywalker, der später zu "Darth Vader" wurde, leidet allem Anschein nach an einer Boderline-Störung. Dies behaupteten französische Psychiater auf dem alljährlich stattfindenden Kongress der American Psychiatric Association in San Diego, Kalifornien. Die Psychiater aus Toulouse diagnostizierten auf Grundlage des Originaldrehbuchs von "Star Wars" bei Herrn Skywalker eindeutig diese Persönlichkeitsstörung. Sie äußert sich in ständig wechselnden Stimmungen, instabilen zwischenmenschlichen Beziehungen, unsicherem Selbstbild und höchst ambivalentem Verhalten. Außerdem haben Menschen, die unter dieser Störung leiden, große Probleme, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, hinzu kommt eine mangelnde Impulskontrolle und stressabhängige paranoide Wahrnehmungsstörungen. Auch wehren sich diese Menschen häufig verzweifelt dagegen, verlassen zu werden. Wobei die Angst davor durchaus keinen realen Hintergrund haben muss. Seinen Namen zu ändern von Anakin Skywalker in "Darth Vader" weist auf eine gravierende Identitässtörung hin, meinen Laurent Schmitt und Kollegen von der Uniklinik in Toulouse. Die Figur von Skywalker sei aber trotzdem ein extremes, fiktionales Beispiel für einen an Boderline leidenden Menschen und nicht typisch für die meisten Borderline-Fälle. - CBS-News
Samstag, April 28, 2007
Der Narzisst
Der Narzisst ist jemand, der darauf angewiesen ist, von anderen bewundert zu werden. Beziehungspersonen sind als Individuen bedeutungslos für ihn (sie) und existieren lediglich funktionell, um den Glanz des grandiosen Narzissten widerzuspiegeln oder um sich dem Narzissten als Schmuckstück anzubieten (letzteres kann man als Komplementärnarzissmus bezeichnen). Der Narzisst braucht die Gesellschaft, interessiert sich aber in keinster Weise für sie. Er ist ein gnadenloser Egoist, der aufgrund seines recht ambivalenten Verhaltens (zur Schau gestellter Nihilismus und schüchterne Sehnsucht) für andere eine gewisse Attraktivität ausstrahlt. Narzissten haben ein sehr schwaches Selbst und können die Menschen in ihrer Umgebung ausschließlich als narzisstische Objekte wahrnehmen, als Erweiterung ihres eigenen Selbst. Wer nicht mit ihnen schwingen kann, hat verloren. In ihrer Hoffnung auf totale Harmonie teilen sie die Menschen ein in gute und böse Menschen, es gibt nichts dazwischen. Wer sie nicht bedingungslos unterstützt, ist uninteressant für sie. Narzissten können sich nicht streiten, sie sind kompromisslos, wenn es sich nicht um ihre Bedürfnisse dreht. Sie sind nicht selten Führerfiguren, weil sie wunderbare Identifikationsmöglichkeiten bieten für ähnlich gestrickte Typen (=Komplementärnarzissten). Narzissten leiden häufig an einem großen Gefühl der Sinnlosigkeit, mit der ständigen Gefahr, in eine Depression abzugleiten, was sie mit übertriebener Betriebsamkeit und Theatralik zu überspielen versuchen. Narzissten sind eigentlich ganz arm dran, weil sie einen richtigen inneren Frieden niemals finden können, solange ihr Selbst so sehr schwächelt.
Freitag, April 27, 2007
Gute Menschen
Gute Menschen sind nur selten misstrauisch: Sie können sich nicht vorstellen, dass jemand etwas tut, wozu sie selbst nicht imstande wären; für gewöhnlich akzeptieren sie die unspektakuläre Lösung als die beste und lassen damit die Dinge auf sich beruhen. Dazu kommt, dass ein normaler Mensch dazu neigt, sich einen Psychopathen als jemanden vorzustellen, dessen Erscheinung ebenso monströs ist wie seine Psyche - aber kaum etwas könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein...Diese Monster des Alltags hatten für gewöhnlich ein normaleres Aussehen und Verhalten, als ihre tatsächlich normalen Brüder und Schwestern; sie präsentierten ein überzeugenderes Bild der Tugend als die Tugend selbst - ähnlich der wächsernen Blüte einer Rose oder dem künstlichen Pfirsisch, die dem Auge viel perfekter erscheinen als das mit Makeln behaftete Original, nach dessen Vorbild sie modelliert worden sind.
William March, The Bad Seed
Der Weg zurück?
Auszug aus einem Buch von Magnus Gäfgen, dem Mörder von Jakob von Metzler (steht auf der von seinem Anwalt kreierten website http://www.magnus-gaefgen.de/) bitte vorher lesen: Mord an Jakob von Metzler
"Es ist der Versuch der Auseinandersetzung, des Verstehens und des Bewältigens. Hier bin ich schon dafür aufrichtig dankbar, wenn mir ein Weg aufgezeigt wird, zu Antworten zu gelangen, nach denen ich selbst noch suche. Meine Tat reut mich unendlich. In meinen Gedanken bin ich tagaus, tagein bei Jakob, bei der Familie meines Opfers und allen, die ich verletzt habe. Vielleicht lässt sich der Schmerz über mein Versagen in etwas Fruchtbares umwandeln, wenn ich den Weg der Mitteilung und des Dialogs suche. Jeden Weg bin ich bereit zu gehen, wenn es helfen kann, wenigstens etwas Linderung zu bewirken. Ich glaube an die Gnade der Vergebung Gottes und der Menschen und habe ihre Früchte bereits vielfach dankbar erlebt in einer Lage, die ansonsten und ohne sie schier trostlos und ausweglos gewesen wäre, weil mir kein Weg offen stand, den Weg zu den durch mich Verletzten zu suchen. Umso mehr hoffe ich auf eine Fortsetzung in der Zukunft, zu der ich meinen Teil betragen will, so gut ich es kann. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen mag. So soll es auch und insbesondere der Versuch des Dialogs und der Handreichung sein. Ich freue mich über jeden, der meine Hand zu ergreifen bereit ist und danke sehr dafür. ….. Auch meine Beweggründe und Ziele, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen, will ich darlegen. Häufig werde ich gefragt und es wird in den Zeitungen diskutiert, warum ich die Beschwerde nicht mit dem üblichen Ziel einer auch finanziellen Entschädigung eingelegt habe. Ich habe dies bewusst unterlassen, um die symbolische Bedeutung des Verfahrens zu unterstreichen. Nur, wenn deutlich wird, welche Dimension die von mir dort erstrebte Absage an die Folter hat, ist mein eigentliches Ziel nachvollziehbar und hoffentlich für die Öffentlichkeit verständlich. Es geht darum, eine Leitentscheidung gegen die Folter als Instrument des Strafverfahrens zu erwirken. Sie wird für Jahrzehnte prägend sein für die Realität strafrechtlicher Ermittlungen."
Fällt was auf?
Mittwoch, April 04, 2007
Die Geschichte mit dem Hammer
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß, weil er einen Hammer hat. Jetzt reichts mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!" (aus: Anleitung zum Unglücklichsein) -
Paul Watzlawick ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 85 Jahren in seiner Wahlheimat Palo Alto (Kalifornien). Er war ein wichtiger Vertreter der Kommunikationspsychologie, wenn nicht sogar der wichtigste.
Paul Watzlawick ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 85 Jahren in seiner Wahlheimat Palo Alto (Kalifornien). Er war ein wichtiger Vertreter der Kommunikationspsychologie, wenn nicht sogar der wichtigste.
Sonntag, November 12, 2006
Donnerstag, Oktober 12, 2006
Depression: Psychotherapie per Internet
Canberra - Australische Psychiater bieten ihren Patienten neuerdings eine Internetberatung an. Auf zwei Portalen können sich Menschen mit Depressionen über ihre Krankheit informieren und online eine kognitive Verhaltenstherapie (CBT) durchführen. Nach allerdings noch nicht publizierten Resultaten einer Studie sollen die Therapieergebnisse ebenso gut sein wie nach einer langfristigen Psychotherapie.
Patienten können die Informationsseite „BluePages“ und das Behandlungsmodul „MoodGYM“ kostenfrei und anonym ansteuern. Beide Seiten werden nach Auskunft von Helen Christensen und Mitarbeitern des Centre for Mental Health Research (CMHR) in Canberra bereits von Tausenden von „Usern“ genutzt. Viele kehren offenbar immer wieder zu der Seite zurück, was es den Forschern ermöglichte, die langfristige Wirksamkeit zu untersuchen. Christensen zeigt sich überrascht, dass die insgesamt kurze CBT-Intervention häufig eine langfristige Wirkung hat, die bei Patienten mit schwerer Depression besonders ausgeprägt gewesen sei. Zu den Einzelheiten wird man die Publikation abwarten müssen.
Sicher scheint dagegen, dass die Internet-Therapie nicht nur zur Behandlung von Patienten aus ländlichen und abgelegenen Regionen geeignet ist, die in Australien sehr verbreitet sind. Internetportale könnten auch eine Möglichkeit sein, jene nach Schätzung Christensens 60 Prozent der Patienten zu erreichen, die ansonsten niemals professionelle Hilfe aufsuchen. © rme/aerzteblatt.de
Patienten können die Informationsseite „BluePages“ und das Behandlungsmodul „MoodGYM“ kostenfrei und anonym ansteuern. Beide Seiten werden nach Auskunft von Helen Christensen und Mitarbeitern des Centre for Mental Health Research (CMHR) in Canberra bereits von Tausenden von „Usern“ genutzt. Viele kehren offenbar immer wieder zu der Seite zurück, was es den Forschern ermöglichte, die langfristige Wirksamkeit zu untersuchen. Christensen zeigt sich überrascht, dass die insgesamt kurze CBT-Intervention häufig eine langfristige Wirkung hat, die bei Patienten mit schwerer Depression besonders ausgeprägt gewesen sei. Zu den Einzelheiten wird man die Publikation abwarten müssen.
Sicher scheint dagegen, dass die Internet-Therapie nicht nur zur Behandlung von Patienten aus ländlichen und abgelegenen Regionen geeignet ist, die in Australien sehr verbreitet sind. Internetportale könnten auch eine Möglichkeit sein, jene nach Schätzung Christensens 60 Prozent der Patienten zu erreichen, die ansonsten niemals professionelle Hilfe aufsuchen. © rme/aerzteblatt.de
Donnerstag, Juni 15, 2006
Ödipus in Arabien? - "Wir brauchen keine Psychoanalyse, so etwas braucht nur der dekadente Westen."
Ein sehr interessantes Gespräch mit Gehad Mazarweh über die Nöte muslimischer Patienten und die Probleme der Psychoanalyse in arabischen Ländern.>>>
Samstag, Juni 10, 2006
Flüchtige Botschaften der Seele
Träume galten einst als Geschenk der Götter, dann als nutzloses Flackern von Nervenzellen. Heute weiß man: Die nächtlichen Visionen festigen neu erlernte Fähigkeiten und reinigen die Seele.
Träume sind ein göttliches Geschenk. Phantasos, Phobetor und Morpheus, die drei Söhne von Hypnos, dem Gott des Schlafs, weben ihre Gaben in unseren Schlaf ein. Die wertvollen Botschaften müßten interpretiert werden, meinten die Griechen im Altertum. So entstanden die Kunst der Deutung von Träumen und die Vorhersage der Zukunft. "Träume sind Schäume", diskreditiert der Materialist das geisterhafte Erleben.
Zwischen Hellenismus und Nihilismus erkannte Sigmund Freud die Träume als Botschaft des Unbewußten. Danach sind sie das Tor zu verdrängten und nicht ausgelebten Trieben, Wünschen und Affekten wie Haß und Furcht und also der Zugang zu dem, was der Mensch aufgrund kultureller Regeln und innerer Kontrollinstanzen nicht real auszuleben wagt. Im Traum könne man diese Triebe in Symbolen chiffriert und sozial ungefährlich ausleben.
Da Entscheidungen zu einem großen Teil vom Unbewußten dominiert werden und verdrängte Wünsche zu seelischen Krankheiten führen können, müsse man die Träume deuten. Wenn man den vordergründigen "manifesten" Inhalt dechiffriere, könne man die verborgene "latente" Thematik und damit tiefer liegende Konflikte erkennen. Traumdeutung sei der Königsweg zum Unbewußten, sagte Freud.
Psychoanalytiker fordern ihre Patienten auf, sich etwas "einfallen zu lassen" zu den Details ihrer Träume und "frei zu assoziieren". "Die aufkommenden Bilder führen uns an die Seelenverfassung des Patienten heran", sagt Stephan Hau, experimentell arbeitender Psychologe und Psychoanalytiker an der schwedischen Universität Linköping.
Das Assoziieren ist Teil der Umkehrung der nächtlichen "Traumarbeit". Diese maskiert die gefährlichen Antriebe in einem mehrstufigen Prozeß: Die "Verdichtung" faßt Handlungen zusammen. Die "Verschiebung" ersetzt Personen oder Gegenstände durch Symbole. So könnte etwa aus einem übermächtigen Vater ein wildes Tier oder ein strenger Polizist werden.
Heute sehen Psychoanalytiker im Traum mehr als nur die sublime Wunscherfüllung: "Das ganze Traumgeschehen, also auch die manifesten Inhalte, zeigen uns die Innenwelt des Träumenden", erläutert Stephan Hau. "Sie spiegeln die persönlichen Angelegenheiten, Ziele, Nöte und Probleme in der aktuellen Lebenssituation wider." Nicht zuletzt illustrieren sie das Verhältnis zu wichtigen Bezugspersonen und wie sich ein Mensch selbst wahrnimmt.
Man kann den Traum auch als Simulationsprozeß begreifen: Der Träumende macht Entwürfe von sich und der Welt und probiert verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Konflikten durch. "Mißlingt ein Lösungsversuch, wird eine neue Simulation gestartet."
Für die Naturwissenschaft schien der Traum lange Zeit kein Thema. 1953 entdeckten jedoch Nathaniel Kleitmann und Eugene Naserinsky in Chicago zufällig den "REM-Schlaf": In dieser Phase bewegen Schlafende schnell ihre Augen ("Rapid Eye Movements") hinter den geschlossenen Lidern - so, als ob sie ein Geschehen mit Blicken verfolgten. Weckt man sie zu diesem Zeitpunkt auf, können etwa 90 Prozent von ihnen detailliert von Träumen berichten. Der REM-Schlaf wurde erkannt als das physiologische Äquivalent zum psychologischen Phänomen Traum.
In den siebziger Jahren identifizierten J. Allan Hobson, ein Neurophysiologe der Harvard-Universität in Boston, und sein Kollege Michel Jouvet von der Universität Lyon im Tierversuch einen hirnorganischen Zugang zu dieser Schlafphase - alle Säugetiere zeigen REM-Schlafphasen: Sie fanden einen Komplex aus Nervenzellen im entwicklungsgeschichtlich alten Hirnstamm, der über Nervenbotenstoffe Wachzustand und Schlafen reguliert. Etwa alle 90 Minuten wird der REM-Schlaf ein- und wieder ausgeschaltet.
Für Menschen ist der REM-Schlaf essentiell. Weckt man Menschen im Schlaflabor immer zu Beginn dieser Phase, "fühlen sie sich wie neben sich", berichtet die Psychologin und Psychoanalytikerin Tamara Fischmann vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt. Es kommt zu Stimmungstiefs bis hin zu Halluzinationen. Hören die Störungen wieder auf, holt der Schlafende das Verpaßte nach und fällt für einige Zeit vermehrt in den REM-Schlaf.
Während die Psychoanalyse den Traum als Seelenhygiene begreift, sah ihn Hirnphysiologe Hobson viel profaner. Er interpretierte Träume als Folge von unkontrolliert überschießenden Signalen aus dem entwicklungsgeschichtlich alten Hirnstamm. Als bewußte Provokation gegen die Psychoanalyse formulierte er: Das "moderne" Großhirn versucht die chaotischen Signale des Hirnstamms zu interpretieren und produziere so das Traumgeschehen. Aber letztlich sei das ein sinnloses Flackern der Neuronen. Freuds Traumdeutung, so schien es Hirnforschern der siebziger Jahre, hatte ausgedient.
Heute ist Hobson milder und gesteht zu: Jeder Traum hat eine persönliche Bedeutung. Eine Annäherung zwischen Psychoanalyse und Hirnphysiologie zeichnet sich ab. Der Hirnforscher Mark Solms von der Universität Kapstadt geht dabei besonders weit. Er will vollenden, woran Sigmund Freud mangels geeigneter Methoden scheitern mußte: die Vereinigung beider Disziplinen. Solms geht davon aus, daß das Gehirn des seelisch Kranken im Traum eine "Selbsttherapie" betreibe.
Die starke emotionale Komponente der Träume ist belegt: Neben dem archaischen Hirnstamm ist auch eine Region der "modernen" vorderen Hirnrinde eingebunden. Dieses Belohnungszentrum ist auch im wachen Zustand aktiv, wenn der Mensch ißt, trinkt, Drogen zu sich nimmt oder Sex hat. Die Hirnrinde scheint sogar eine wichtigere Rolle zu spielen als der Hirnstamm, wie Solms' Untersuchungen von Patienten mit Hirnverletzungen ergaben. Die Träume fallen nicht etwa aus, wenn jene Stammhirnregion zerstört ist, die die Traumsignale generiert, und wenn die Augenbewegungen im REM-Schlaf ausbleiben. Vielmehr träumen Schlafende dann nicht mehr, wenn das die Emotionen verarbeitende Frontalhirn verletzt ist.
In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler mit bildgebenden Verfahren in das Gehirn von Schlafenden geschaut. Diese zeigen: Wenn das Hirn das Tagesgeschehen im Traum verarbeitet, kann es sogar in allen seinen Regionen aktiv sei, spezialisierte Traumareale gibt es nicht.
Ob aber der Traum tatsächlich eine Selbsttherapie ist und man Probleme wegträumen kann, ist umstritten. Michael Schredl, Psychologe am Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit und Deutschlands regster Traumforscher, ist skeptisch: "Es werden zweifellos Emotionen verarbeitet. Aber ob das reale Probleme tatsächlich gelöst werden kann, daran scheiden sich die Geister." Das Problem: "Wir können das nicht unabhängig messen. In dem Moment, wo ein Proband von seinen Träumen erzählt, setzt er sich mit dem Geschilderten auseinander. Das kann das therapeutisch Wirksame sein, nicht das Träumen selbst."
Nicht nur die Annahme vom einen "Traumzentrum" im Gehirn hat sich als falsch erwiesen. Auch das Dogma, wonach nur die Schlafphase mit schnellen Augenbewegungen (REM) Träume gebäre, ist gefallen. Der Mensch träumt vielmehr auch im tiefen "Non-REM-Schlaf" - er bemerkt es bloß meist nicht. Schlafende, die man unmittelbar aus einer Non-REM-Phase weckt, erinnern sich nur in sieben Prozent der Fälle an einen Traum. Daß diese Erinnerung kein Überbleibsel aus einem vorherigen REM-Schlaf sein kann, zeigten Experimente, in denen Testschläfer schon früh in der Nacht geweckt wurden, bevor sie in den ersten REM-Schlaf gefallen waren. Fazit: Das Gehirn träumt mehr oder weniger die ganze Nacht.
Das schwache Erinnerungsvermögen liegt an der Qualität der Non-REM-Träume, sagt Psychoanalytiker Hau: "Sie sind kürzer, haben weniger Handlung und Emotionen und bestehen oft nur aus einem Gedanken oder einem Bild." Sie sind also weit weniger spektakulär als die gefühlsintensiven REM-Träume.
Viele Studien zeigen eine Traumfunktion, die nicht unmittelbar mit Gefühlsverarbeitung zu tun hat: Träume verankern Gelerntes. REM-Schlaf konsolidiert vor allem "prozedurale" Fähigkeiten. Dazu gehören motorische Fähigkeiten und automatisierte Abläufe wie Tanzen. "Tiefschlaf hingegen festigt das "deklarative" Wissen, also verbal reproduzierbares Wissen wie gelernte Vokabeln", erläutert Michael Schredl.
Jene Hirnregionen, die tags bei bewußten Aktivitäten besonders rege sind, sind es auch in der darauffolgenden Nacht im Schlaf. Das legen beispielsweise Studien des Neurologen Pierre Maquet von der Universität Lüttich nahe. Er ließ Testpersonen im Positronen-Emissions-Tomographen (PET) schlafen. Das Gerät macht den Stoffwechsel sichtbar und damit das Maß der Aktivität in verschiedenen Hirnregionen. Bei Maquets Probanden waren im traumreichen REM-Schlaf jene Areale besonders rege, die auch im Wachzustand auf Hochtouren gearbeitet hatten, wenn etwa Bewegungsabläufe eingeübt worden waren. In Träumen werde deshalb, so die Annahme, Gelerntes verankert.
Aber was sind die konkreten Traumhandlungen, an die man sich des Morgens erinnert? Träumt man Verbotenes? Vom Sex mit der schönen Frau des Nachbarn? Vom Sturz des lästig gewordenen Ehegatten vor einen Zug? Eine Umfrage des Instituts Allensbach ergab vor einigen Jahren Profanes, was nach Ansicht von Michael Schredl aber möglicherweise mit oberflächlicher Fragetechnik zu tun hatte: Danach träumen 81 Prozent der Befragten von Arbeit, Beruf, Reisen und viel Geld. Aber in den nächtlichen Traumgespinsten kommen auch Verstorbene sowie die Themen Sturz, Fallen, Fliegen, Tod, Angriff, Verfolgung, Flucht, Lob und Krieg vor.
Doch es dominiert der Alltag. Michael Schredl hat die "Kontinuitätshypothese" untermauert. Sie besagt, daß der Mensch vornehmlich von dem träumt, was ihn jüngst beschäftigt hat. "Der Vortag ist am wichtigsten, mit weiter Zurückliegendem beschäftigen sich Träume deutlich seltener. Und je gefühlsbetonter die Tagesereignisse waren, desto wahrscheinlicher tauchen sie im REM-Schlaf auf." Da verwundert es dann auch nicht, wenn extrem belastende Erlebnisse im Schützengraben oder von Kindesmißbrauch auch noch Jahrzehnte später zum Alp werden.
Aristoteles, Descartes und Freud träumten übrigens bunt, wie die meisten. Vor Jahrzehnten häuften sich indes Berichte von schwarzweißen Träumen - die nun zunehmend wieder von Farbträumen abgelöst werden. Eine Deutung dieses eigentümlichen Phänomens lieferte der Philosoph Eric Schwitzgebel von der Universität Kalifornien: Die Menschen träumten parallel mit dem Aufkommen des Schwarzweißfernsehens monochrom - zumindest schilderten sie es so. Als die TV-Bilder bunt wurden, wurden es auch wieder die Träume. Offenbar gibt es also eine Traumwahrnehmung, die sich eng an den magisch-bewegten Bildern orientiert. Eine aktuelle Studie bestätigt diese Annahme: Chinesische Probanden erzählten statistisch um so häufiger von Farbträumen, je länger ihre Erfahrung mit Farbfernsehen war.
Mit bewegten Bildern arbeitet auch Tamara Fischmann. Sie simuliert den träumenden Umgang mit Alltagssituationen und analysierte, wie kurze, unbewußte (exakter: vorbewußte, "subliminale") Reize im Wachzustand in Träume einfließen. So wurden Probanden Texte in beschleunigtem Tempo vom Band vorgelesen sowie einzelne Bilder von nur 1/125-Sekunde in längeren Sequenzen gezeigt. Die Probanden konnten weder Texte noch Bilder bewußt erkennen, dennoch tauchten Elemente dieser Stimuli in späteren Träumen auf. Die Probanden fertigten von ihnen Zeichnungen an, unabhängige Personen bewerteten dann, ob Elemente der subliminalen Reize darin vorkamen. Das taten sie tatsächlich - in einer Form wie zerlegt und neu zusammengesetzt.
Große Hoffnungen setzen Traumforscher auf bildgebende Verfahren. Sie sollen mehr Klarheit bringen über die Parallelen zwischen Tag- und Traumgeschehen und über die Beteiligung unterschiedlicher Hirnregionen. Die PET reicht den Forschern nicht, denn sie hat eine zeitliche Auflösung von nur 20 Minuten. Die Forscher wollen die Hirnaktivität zeitlich detaillierter erfassen und mit Hirnströmen im Wachzustand vergleichen. Dafür ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) geeignet. Auch mit ihr werden Stoffwechselvorgänge und damit Hirnaktivitäten sichtbar - aber zeitlich besser aufgelöst. Das Problem: Die fMRT ist zu laut, die Probanden können kaum einschlafen. Manchmal gelingt es, wenn sie zuvor ein oder zwei Nächte nicht schlafen dürfen.
Auch einige Psychoanalytiker wollen sich die Maschinen zunutze machen. Stephan Hau: "Die Idee ist, die Traumentstehungs- und -bearbeitungsprozesse, wie sie Freud beschrieben hat, mit hirnphysiologischen Parametern zu vergleichen." Nicht nur der Traum soll mit solchen Methoden erforscht werden. Mark Solms schwebt vor, Patienten während ganzer psychoanalytischer Sitzungen damit ins Gehirn zu blicken.
(W.Merkel)
Träume sind ein göttliches Geschenk. Phantasos, Phobetor und Morpheus, die drei Söhne von Hypnos, dem Gott des Schlafs, weben ihre Gaben in unseren Schlaf ein. Die wertvollen Botschaften müßten interpretiert werden, meinten die Griechen im Altertum. So entstanden die Kunst der Deutung von Träumen und die Vorhersage der Zukunft. "Träume sind Schäume", diskreditiert der Materialist das geisterhafte Erleben.
Zwischen Hellenismus und Nihilismus erkannte Sigmund Freud die Träume als Botschaft des Unbewußten. Danach sind sie das Tor zu verdrängten und nicht ausgelebten Trieben, Wünschen und Affekten wie Haß und Furcht und also der Zugang zu dem, was der Mensch aufgrund kultureller Regeln und innerer Kontrollinstanzen nicht real auszuleben wagt. Im Traum könne man diese Triebe in Symbolen chiffriert und sozial ungefährlich ausleben.
Da Entscheidungen zu einem großen Teil vom Unbewußten dominiert werden und verdrängte Wünsche zu seelischen Krankheiten führen können, müsse man die Träume deuten. Wenn man den vordergründigen "manifesten" Inhalt dechiffriere, könne man die verborgene "latente" Thematik und damit tiefer liegende Konflikte erkennen. Traumdeutung sei der Königsweg zum Unbewußten, sagte Freud.
Psychoanalytiker fordern ihre Patienten auf, sich etwas "einfallen zu lassen" zu den Details ihrer Träume und "frei zu assoziieren". "Die aufkommenden Bilder führen uns an die Seelenverfassung des Patienten heran", sagt Stephan Hau, experimentell arbeitender Psychologe und Psychoanalytiker an der schwedischen Universität Linköping.
Das Assoziieren ist Teil der Umkehrung der nächtlichen "Traumarbeit". Diese maskiert die gefährlichen Antriebe in einem mehrstufigen Prozeß: Die "Verdichtung" faßt Handlungen zusammen. Die "Verschiebung" ersetzt Personen oder Gegenstände durch Symbole. So könnte etwa aus einem übermächtigen Vater ein wildes Tier oder ein strenger Polizist werden.
Heute sehen Psychoanalytiker im Traum mehr als nur die sublime Wunscherfüllung: "Das ganze Traumgeschehen, also auch die manifesten Inhalte, zeigen uns die Innenwelt des Träumenden", erläutert Stephan Hau. "Sie spiegeln die persönlichen Angelegenheiten, Ziele, Nöte und Probleme in der aktuellen Lebenssituation wider." Nicht zuletzt illustrieren sie das Verhältnis zu wichtigen Bezugspersonen und wie sich ein Mensch selbst wahrnimmt.
Man kann den Traum auch als Simulationsprozeß begreifen: Der Träumende macht Entwürfe von sich und der Welt und probiert verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit Konflikten durch. "Mißlingt ein Lösungsversuch, wird eine neue Simulation gestartet."
Für die Naturwissenschaft schien der Traum lange Zeit kein Thema. 1953 entdeckten jedoch Nathaniel Kleitmann und Eugene Naserinsky in Chicago zufällig den "REM-Schlaf": In dieser Phase bewegen Schlafende schnell ihre Augen ("Rapid Eye Movements") hinter den geschlossenen Lidern - so, als ob sie ein Geschehen mit Blicken verfolgten. Weckt man sie zu diesem Zeitpunkt auf, können etwa 90 Prozent von ihnen detailliert von Träumen berichten. Der REM-Schlaf wurde erkannt als das physiologische Äquivalent zum psychologischen Phänomen Traum.
In den siebziger Jahren identifizierten J. Allan Hobson, ein Neurophysiologe der Harvard-Universität in Boston, und sein Kollege Michel Jouvet von der Universität Lyon im Tierversuch einen hirnorganischen Zugang zu dieser Schlafphase - alle Säugetiere zeigen REM-Schlafphasen: Sie fanden einen Komplex aus Nervenzellen im entwicklungsgeschichtlich alten Hirnstamm, der über Nervenbotenstoffe Wachzustand und Schlafen reguliert. Etwa alle 90 Minuten wird der REM-Schlaf ein- und wieder ausgeschaltet.
Für Menschen ist der REM-Schlaf essentiell. Weckt man Menschen im Schlaflabor immer zu Beginn dieser Phase, "fühlen sie sich wie neben sich", berichtet die Psychologin und Psychoanalytikerin Tamara Fischmann vom Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt. Es kommt zu Stimmungstiefs bis hin zu Halluzinationen. Hören die Störungen wieder auf, holt der Schlafende das Verpaßte nach und fällt für einige Zeit vermehrt in den REM-Schlaf.
Während die Psychoanalyse den Traum als Seelenhygiene begreift, sah ihn Hirnphysiologe Hobson viel profaner. Er interpretierte Träume als Folge von unkontrolliert überschießenden Signalen aus dem entwicklungsgeschichtlich alten Hirnstamm. Als bewußte Provokation gegen die Psychoanalyse formulierte er: Das "moderne" Großhirn versucht die chaotischen Signale des Hirnstamms zu interpretieren und produziere so das Traumgeschehen. Aber letztlich sei das ein sinnloses Flackern der Neuronen. Freuds Traumdeutung, so schien es Hirnforschern der siebziger Jahre, hatte ausgedient.
Heute ist Hobson milder und gesteht zu: Jeder Traum hat eine persönliche Bedeutung. Eine Annäherung zwischen Psychoanalyse und Hirnphysiologie zeichnet sich ab. Der Hirnforscher Mark Solms von der Universität Kapstadt geht dabei besonders weit. Er will vollenden, woran Sigmund Freud mangels geeigneter Methoden scheitern mußte: die Vereinigung beider Disziplinen. Solms geht davon aus, daß das Gehirn des seelisch Kranken im Traum eine "Selbsttherapie" betreibe.
Die starke emotionale Komponente der Träume ist belegt: Neben dem archaischen Hirnstamm ist auch eine Region der "modernen" vorderen Hirnrinde eingebunden. Dieses Belohnungszentrum ist auch im wachen Zustand aktiv, wenn der Mensch ißt, trinkt, Drogen zu sich nimmt oder Sex hat. Die Hirnrinde scheint sogar eine wichtigere Rolle zu spielen als der Hirnstamm, wie Solms' Untersuchungen von Patienten mit Hirnverletzungen ergaben. Die Träume fallen nicht etwa aus, wenn jene Stammhirnregion zerstört ist, die die Traumsignale generiert, und wenn die Augenbewegungen im REM-Schlaf ausbleiben. Vielmehr träumen Schlafende dann nicht mehr, wenn das die Emotionen verarbeitende Frontalhirn verletzt ist.
In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler mit bildgebenden Verfahren in das Gehirn von Schlafenden geschaut. Diese zeigen: Wenn das Hirn das Tagesgeschehen im Traum verarbeitet, kann es sogar in allen seinen Regionen aktiv sei, spezialisierte Traumareale gibt es nicht.
Ob aber der Traum tatsächlich eine Selbsttherapie ist und man Probleme wegträumen kann, ist umstritten. Michael Schredl, Psychologe am Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit und Deutschlands regster Traumforscher, ist skeptisch: "Es werden zweifellos Emotionen verarbeitet. Aber ob das reale Probleme tatsächlich gelöst werden kann, daran scheiden sich die Geister." Das Problem: "Wir können das nicht unabhängig messen. In dem Moment, wo ein Proband von seinen Träumen erzählt, setzt er sich mit dem Geschilderten auseinander. Das kann das therapeutisch Wirksame sein, nicht das Träumen selbst."
Nicht nur die Annahme vom einen "Traumzentrum" im Gehirn hat sich als falsch erwiesen. Auch das Dogma, wonach nur die Schlafphase mit schnellen Augenbewegungen (REM) Träume gebäre, ist gefallen. Der Mensch träumt vielmehr auch im tiefen "Non-REM-Schlaf" - er bemerkt es bloß meist nicht. Schlafende, die man unmittelbar aus einer Non-REM-Phase weckt, erinnern sich nur in sieben Prozent der Fälle an einen Traum. Daß diese Erinnerung kein Überbleibsel aus einem vorherigen REM-Schlaf sein kann, zeigten Experimente, in denen Testschläfer schon früh in der Nacht geweckt wurden, bevor sie in den ersten REM-Schlaf gefallen waren. Fazit: Das Gehirn träumt mehr oder weniger die ganze Nacht.
Das schwache Erinnerungsvermögen liegt an der Qualität der Non-REM-Träume, sagt Psychoanalytiker Hau: "Sie sind kürzer, haben weniger Handlung und Emotionen und bestehen oft nur aus einem Gedanken oder einem Bild." Sie sind also weit weniger spektakulär als die gefühlsintensiven REM-Träume.
Viele Studien zeigen eine Traumfunktion, die nicht unmittelbar mit Gefühlsverarbeitung zu tun hat: Träume verankern Gelerntes. REM-Schlaf konsolidiert vor allem "prozedurale" Fähigkeiten. Dazu gehören motorische Fähigkeiten und automatisierte Abläufe wie Tanzen. "Tiefschlaf hingegen festigt das "deklarative" Wissen, also verbal reproduzierbares Wissen wie gelernte Vokabeln", erläutert Michael Schredl.
Jene Hirnregionen, die tags bei bewußten Aktivitäten besonders rege sind, sind es auch in der darauffolgenden Nacht im Schlaf. Das legen beispielsweise Studien des Neurologen Pierre Maquet von der Universität Lüttich nahe. Er ließ Testpersonen im Positronen-Emissions-Tomographen (PET) schlafen. Das Gerät macht den Stoffwechsel sichtbar und damit das Maß der Aktivität in verschiedenen Hirnregionen. Bei Maquets Probanden waren im traumreichen REM-Schlaf jene Areale besonders rege, die auch im Wachzustand auf Hochtouren gearbeitet hatten, wenn etwa Bewegungsabläufe eingeübt worden waren. In Träumen werde deshalb, so die Annahme, Gelerntes verankert.
Aber was sind die konkreten Traumhandlungen, an die man sich des Morgens erinnert? Träumt man Verbotenes? Vom Sex mit der schönen Frau des Nachbarn? Vom Sturz des lästig gewordenen Ehegatten vor einen Zug? Eine Umfrage des Instituts Allensbach ergab vor einigen Jahren Profanes, was nach Ansicht von Michael Schredl aber möglicherweise mit oberflächlicher Fragetechnik zu tun hatte: Danach träumen 81 Prozent der Befragten von Arbeit, Beruf, Reisen und viel Geld. Aber in den nächtlichen Traumgespinsten kommen auch Verstorbene sowie die Themen Sturz, Fallen, Fliegen, Tod, Angriff, Verfolgung, Flucht, Lob und Krieg vor.
Doch es dominiert der Alltag. Michael Schredl hat die "Kontinuitätshypothese" untermauert. Sie besagt, daß der Mensch vornehmlich von dem träumt, was ihn jüngst beschäftigt hat. "Der Vortag ist am wichtigsten, mit weiter Zurückliegendem beschäftigen sich Träume deutlich seltener. Und je gefühlsbetonter die Tagesereignisse waren, desto wahrscheinlicher tauchen sie im REM-Schlaf auf." Da verwundert es dann auch nicht, wenn extrem belastende Erlebnisse im Schützengraben oder von Kindesmißbrauch auch noch Jahrzehnte später zum Alp werden.
Aristoteles, Descartes und Freud träumten übrigens bunt, wie die meisten. Vor Jahrzehnten häuften sich indes Berichte von schwarzweißen Träumen - die nun zunehmend wieder von Farbträumen abgelöst werden. Eine Deutung dieses eigentümlichen Phänomens lieferte der Philosoph Eric Schwitzgebel von der Universität Kalifornien: Die Menschen träumten parallel mit dem Aufkommen des Schwarzweißfernsehens monochrom - zumindest schilderten sie es so. Als die TV-Bilder bunt wurden, wurden es auch wieder die Träume. Offenbar gibt es also eine Traumwahrnehmung, die sich eng an den magisch-bewegten Bildern orientiert. Eine aktuelle Studie bestätigt diese Annahme: Chinesische Probanden erzählten statistisch um so häufiger von Farbträumen, je länger ihre Erfahrung mit Farbfernsehen war.
Mit bewegten Bildern arbeitet auch Tamara Fischmann. Sie simuliert den träumenden Umgang mit Alltagssituationen und analysierte, wie kurze, unbewußte (exakter: vorbewußte, "subliminale") Reize im Wachzustand in Träume einfließen. So wurden Probanden Texte in beschleunigtem Tempo vom Band vorgelesen sowie einzelne Bilder von nur 1/125-Sekunde in längeren Sequenzen gezeigt. Die Probanden konnten weder Texte noch Bilder bewußt erkennen, dennoch tauchten Elemente dieser Stimuli in späteren Träumen auf. Die Probanden fertigten von ihnen Zeichnungen an, unabhängige Personen bewerteten dann, ob Elemente der subliminalen Reize darin vorkamen. Das taten sie tatsächlich - in einer Form wie zerlegt und neu zusammengesetzt.
Große Hoffnungen setzen Traumforscher auf bildgebende Verfahren. Sie sollen mehr Klarheit bringen über die Parallelen zwischen Tag- und Traumgeschehen und über die Beteiligung unterschiedlicher Hirnregionen. Die PET reicht den Forschern nicht, denn sie hat eine zeitliche Auflösung von nur 20 Minuten. Die Forscher wollen die Hirnaktivität zeitlich detaillierter erfassen und mit Hirnströmen im Wachzustand vergleichen. Dafür ist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) geeignet. Auch mit ihr werden Stoffwechselvorgänge und damit Hirnaktivitäten sichtbar - aber zeitlich besser aufgelöst. Das Problem: Die fMRT ist zu laut, die Probanden können kaum einschlafen. Manchmal gelingt es, wenn sie zuvor ein oder zwei Nächte nicht schlafen dürfen.
Auch einige Psychoanalytiker wollen sich die Maschinen zunutze machen. Stephan Hau: "Die Idee ist, die Traumentstehungs- und -bearbeitungsprozesse, wie sie Freud beschrieben hat, mit hirnphysiologischen Parametern zu vergleichen." Nicht nur der Traum soll mit solchen Methoden erforscht werden. Mark Solms schwebt vor, Patienten während ganzer psychoanalytischer Sitzungen damit ins Gehirn zu blicken.
(W.Merkel)
Montag, Mai 08, 2006
>>>Gestern im Deutschlandfunk: Protokoll einer Analyse
Ein messianisches Anliegen leitet Manfred Pohlens Veröffentlichung der Protokolle, die Ernst Blum von seinen Sitzungen bei Sigmund Freud im Jahre 1922 stenographisch festhielt. Die Aufzeichnungen des 30-jährigen Schweizer Psychoanalytikers sollen einer Wiedererinnerung des authentischen Freuds dienen.
Sonntag, Februar 19, 2006
Gehirn und Bewusstsein
Eine kleine Reise durch das Gehirn. Wie funktioniert das menschliche Bewusstsein, wo ist es lokalisiert? Was ist der Unterschied zwischen Großhirn, Kleinhirn, Stammhirn? Was versteht man unter dem limbischen System? Auf all diese und weitere Fragen (z.B. woran man Gehirnstörungen, sowie degenerative Erkrankungen anhand bildgebender Verfahren erkennen kann), findet man >>>hier und >>>dort Antworten. Außerdem könnt ihr überprüfen, ob ihr ein >>>echtes Lächeln von einem falschen Lächeln unterscheiden könnt und ob ihr das Zeug zu einem Gedächtniskünstler habt.
Dienstag, Februar 07, 2006
Privataufnahmen von Sigmund Freud
Auf der homepage des Freud-Museums in Wien finden sich auch diese interessanten Zeitdokumente eines der wichtigsten Menschen des vergangenen Jahrhunderts. Er rückte den Blick der Menschheit als einer der ersten auf die Bedeutung ihres Unterbewusstseins und daher kann man ihn sicherlich als eine revolutionäre Figur bezeichnen.
Donnerstag, Februar 02, 2006
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