Sonntag, April 06, 2008

Rassismus gegen Sexismus?

Wissenschaftler und Studenten des "Stereotyping & Prejudice Research Larboratory" der Universität Chicago (Correll, Park, Judd & Wittenbrink, 2002; Correll, Park, Judd, Wittenbrink, Sadler & Keesee, in press; Correll, Urland & Ito, 2006) entwickelten einen psychologischen Test, bei dem man auf insgesamt 100 schwarze (farbige) oder weiße Männern trifft, die entweder eine Pistole oder ein Handy in der Hand halten und auf die man schießen muss, wenn sie bewaffnet sind. Die meisten, die an diesem Test teilnehmen, schießen demnach schneller auf einen Schwarzen als auf einen Weißen, allerdings kehrt sich das Verhältnis von "erschossenen" schwarzen zu weißen Unbewaffneten, um. Und dies unabhängig von der jeweiligen Hautfarbe der Testperson. Ich hab den Test auch mal gemacht und konnte das vorhergesagte Ergebnis tatsächlich bestätigen. Die Entwickler des Tests gehen davon aus, dass unbewusste Vorgänge dafür verantwortlich sind, die mit der derzeitigen politischen Situation in den USA zusammenhängen. Obwohl ich nicht in den USA lebe und kein Amerikaner bin, bestätigten sich die Ergebnisse auch bei mir. Wir leben halt in einer seit Jahrhunderten von Weißen dominierten Welt. Die meisten Amerikaner hätten unbewusste Vorurteile gegen Schwarze (bzw. Farbige) - das will der Test beweisen - aber auch gegen weibliche Personen in politischen Führungspositionen und dies spiele bei der anstehenden Wahl in den USA eine wichtige Rolle, so Nicholas D. Kristof, Kolumnist bei der New York Times. Beim ersten Blick könnte man also meinen, dass Barack Obama deswegen von vornherein schlechtere Karten habe als Hillary Clinton. Allerdings hätten Experimente gezeigt, dass das Gehirn in weniger als in einer Zehntelsekunde Menschen nach der Rasse kategorisiert, in weniger als einer Fünftelsekunde jedoch nach dem Geschlecht. Entwicklungspsychologen glauben, dass es bei uns - als Überbleibsel aus Höhlenmenschenzeit - ein tief verwurzeltes, Misstrauen gegenüber Menschen gebe, die einer anderen, fremden, Gruppe angehören. Damals, in der Steinzeit, konnte dies mitunter ja auch lebensrettend sein. Diese angeborene Feindseligkeit gebe es allerdings nicht in Richtung der Frauen, obwohl Männer den entwicklungspsychologisch erklärbaren Wunsch hätten, Frauen zu kontrollieren. Dennoch scheint Rassismus einfacher zu überwinden zu sein als Sexismus, wie verschiedene Experimente belegten (an die Hautfarbe erinnerten sich Versuchspersonen seltener als an die Zugehörigkeit zum jeweiligen Basketball-Team; allerdings erinnerte man sich immer daran, ob jemand weiblich oder männlich war). Infolge der evolutionspsychologisch zu begründenden Unterschiede in der Betrachtung von Rassen gegenüber der jeweiligen Geschlechtszugehörigkeit sei es gegenüber Frauen schwieriger als gegenüber Schwarzen, diese tiefsitzenden Vorurteile zu überbrücken, aber nicht unmöglich. Alice Eagley, Sozialpsychologin der Universität Northwestern (USA), konstatiert, dass das Geschlecht generell zwar über die Rassenzugehörigkeit triumphiere, jedoch die Beeinflussung durch letztere leichter zu überwinden sei. Frauen seien nachwievor unterrepräsentiert in amerikanischen Führungspositionen, weil eine solche Position nicht in das Bild von Frauen passe. Diejenigen Frauen, die es bis in diese Positionen geschaftt haben, würden von den Männern in der Regel auch als besonders kalt und gefühlsarm wahrgenommen. So wie Hillary Clinton, die als besonders kalt wahrgenommen wird und somit nicht ins gängige Weibchenmuster passt (warmherzig, lieb und nett und immer schön lächeln). Entscheiden also die Wahl in den USA letztendlich auch tief verwurzelte Vorurteile? Hätte Frau Merkel neben Herrn Obama auch nur den Hauch einer Chance gehabt...?

Quelle: TheNewYorkTimes, Nicholas D. Kristof

The Police Officer's Dilemma

Project Implicit -(weitere Tests zum Thema unbewusste Beeinflussungen)

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