Samstag, April 28, 2007

Der Narzisst

Der Narzisst ist jemand, der darauf angewiesen ist, von anderen bewundert zu werden. Beziehungspersonen sind als Individuen bedeutungslos für ihn (sie) und existieren lediglich funktionell, um den Glanz des grandiosen Narzissten widerzuspiegeln oder um sich dem Narzissten als Schmuckstück anzubieten (letzteres kann man als Komplementärnarzissmus bezeichnen). Der Narzisst braucht die Gesellschaft, interessiert sich aber in keinster Weise für sie. Er ist ein gnadenloser Egoist, der aufgrund seines recht ambivalenten Verhaltens (zur Schau gestellter Nihilismus und schüchterne Sehnsucht) für andere eine gewisse Attraktivität ausstrahlt. Narzissten haben ein sehr schwaches Selbst und können die Menschen in ihrer Umgebung ausschließlich als narzisstische Objekte wahrnehmen, als Erweiterung ihres eigenen Selbst. Wer nicht mit ihnen schwingen kann, hat verloren. In ihrer Hoffnung auf totale Harmonie teilen sie die Menschen ein in gute und böse Menschen, es gibt nichts dazwischen. Wer sie nicht bedingungslos unterstützt, ist uninteressant für sie. Narzissten können sich nicht streiten, sie sind kompromisslos, wenn es sich nicht um ihre Bedürfnisse dreht. Sie sind nicht selten Führerfiguren, weil sie wunderbare Identifikationsmöglichkeiten bieten für ähnlich gestrickte Typen (=Komplementärnarzissten). Narzissten leiden häufig an einem großen Gefühl der Sinnlosigkeit, mit der ständigen Gefahr, in eine Depression abzugleiten, was sie mit übertriebener Betriebsamkeit und Theatralik zu überspielen versuchen. Narzissten sind eigentlich ganz arm dran, weil sie einen richtigen inneren Frieden niemals finden können, solange ihr Selbst so sehr schwächelt.

3 Kommentare:

mkh hat gesagt…

/1
Wäre interessant, was die Hirnforschung dazu zu sagen hat: Hat krankhafter Narzissmus etwas mit einer Störung der Spiegelneurone zu tun, die ja auch für EMPATHIE zuständig sind? Diese Empathie, also das Einfühlungsvermögen in das Fühlen und Denken und Wahrnehmen anderer Menschen, scheint ja beim Narzissmus gestört zu sein, den nder Blick geht hier meist nur in den Spiegel des eigenen Selbst.

(Ich bin zwar kein Vertreter der Hirnforschung als ultimative Weisheit, aber in diesem Punkt wäre der Zusammenhang interessant.)

/2
Gibt es einen gesunden Narzissmus und einen krankhaften Narzissmus?

Anonym hat gesagt…

Zur ersten Frage: interessanter Punkt. Man weiß leider noch nicht, für was diese "Spiegel"-Neuronen alles zuständig sind. Die Ursache liegt aber sicherlich nicht in einer Gehirnstörung – denn das wäre es ja dann -, sondern vorallendingen in der jeweiligen Persönlichkeitsentwicklung. Das wiederum kann natürlich später zu einer gewissen neuronalen Bahnung führen.


Zu deiner zweiten Frage: Narzissmus ist per Definition eine Persönlichkeitsstörung. Nach einem u.a. von Psychiatern entwickelten diagnostischen Manual (dem DSM), müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, um von einer solchen Störung sprechen zu können. Daher gibt es keinen "gesunden" Narzissmus, auch wenn das hier und dort behauptet wird. Selbstverständlich ist es gut und sinnvoll, Respekt vor sich und seinen Gefühlen zu haben und positive Leistungen – wenn berechtigt – auch auf sich zu attribuieren. Man soll auf keinen Fall sein Licht unter den Scheffel stellen, aber man sollte auch nicht meinen, die ganze Dunkelheit zum Leuchten bringen zu können. Ich würde in dem Zusammenhang dann lieber sagen: ein gesundes Selbst ist wichtig.
Unter einer Persönlichkeitsstörung versteht man Verhaltensmuster, die von den Erwartungen der jeweiligen Kultur (Ausbeutung von Frauen könnte bei uns ein Symptom sein, in anderen Kulturkreisen – wenn auch nicht so bezeichnet – ist das ganz normal), in der die betreffende Person lebt, abweichen. Sehr typisch für das Störungsbild Narzissmus ist ein sehr ambivalentes Verhalten: diese Menschen legen zum einen ein übertriebenes Selbstbewusstsein an den Tag, das einhergeht mit Selbstüberschätzungen und dann fühlen sie sich ganz plötzlich wieder total wertlos. Außerdem fehlt ihnen oftmals die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzufühlen. Und das ist natürlich im Berufsleben sehr hinderlich, weil man dann z.B. ständig mit seinen Arbeitskollegen aneinandergeraten würde. Darum haben Narzissten auch oft eine Odyssee von Jobwechseln hinter sich, u.a. In sich können sich Narzissten hingegen sehr gut hineinfühlen. Sie sind oft nicht in der Lage, zufriedenstellende Beziehungen aufzubauen. Es gibt natürlich Berufe, in denen eine solche Störung von Vorteil sein kann (künstlerische Berufe), allerdings leidet da dann oft das Umfeld.

mkh hat gesagt…

Ja, so ganz neu ist mir die Wesensbeschreibung dieser Persönlichkeitsstörung nicht - aber so detailliert, wie du es auf den Punkt bringst, erhärten sich die Verdachtsmomente, die mich deine berufliche Ausrichtung vermuten lassen! :-)