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Freitag, 2. September 2005
Unfassbare Zustände
Noch immer sind die US-Behörden dem Versorgungschaos und der Anarchie in den Katastrophengebieten nicht Herr geworden. Während die Helfer weiterhin nicht in der Lage sind, die Stadt New Orleans zügig zu evakuieren, spielen sich im 500 Kilometer entfernten Houston Flüchtlingsdramen ab.
Inzwischen stößt auch der "Astrodome" in der texanischen Stadt an die Grenzen seiner Kapazitäten, berichtet der n-tv Partnersender CNN. Erschöpfte Flüchtlinge aus New Orleans seien deshalb am späten Donnerstagabend (Ortszeit) aus Sicherheitsgründen abgewiesen worden. Nun bereitet sich die Stadt San Antonio (Texas), etwa 800 Kilometer von New Orleans entfernt, auf zehntausende Flüchtlinge vor.
Derweil stehen Tausende völlig durchnässt vor dem "Superdome" in New Orleans und warten auf die versprochenen Busse, die sie aus der Stadt bringen sollten. Strömender Regen hatte die Lage dort am Donnerstag noch unerträglicher gemacht. Die Stadt soll vollständig geräumt werden. Doch die Behörden bewältigen den Ansturm der Menschen nicht. "Jedes Mal, wenn wir Leute rausholen, kommen neue hinzu", sagte Brown.
Hilfe völlig unzureichend
In den Katastrophengebieten von Louisiana, Mississippi und Alabama fehlt es noch immer am Nötigsten: Nahrungsmittel, sauberes Trinkwasser, Medikamente und Transportmittel zur Evakuierung von zehntausenden von Menschen. Leichen verwesen in den Straßen, berichtet CNN aus New Orleans. Die Zahl der Toten wird auf mehrere tausend geschätzt.
An der Küste von Mississippi durchsuchten verzweifelte Kinder Abfalltüten nach Essensresten. In New Orleans liegen entkräfte Menschen auf den Straßen.
Verzweifelte SOS-Rufe
Der Bürgermeister von New Orleans, Ray Nagin, sandte einen "verzweifelten SOS-Ruf" aus. Für 15.000 bis 20.000 Menschen am Kongresszentrum gebe es keine Vorräte mehr. Aus Hotels riefen Touristen bei Fernsehsendern an, ebenso ein Arzt aus dem Charity-Krankenhaus, der für seine 250 Patienten kein Wasser und kein Essen mehr hatte. "Wir können nicht glauben, wie schlecht das alles organisiert ist. Wir haben noch keinen einzigen Helfer gesehen", sagte eine Anruferin aus dem Luxushotel Ritz Carlton CNN. Wegen der Plünderer traue sich niemand auf die Straße.
"Schießen und töten"
In New Orleans müssen Plünderer inzwischen mit ihrer Erschießung rechnen. Die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, warnte, die unter ihrer Gewalt stehende Nationalgarde habe den Befehl "zu schießen und töten". Blanco hat 40.000 Nationalgardisten angefordert, die für Ordnung sorgen sollen. Bis Freitag sollen 12.000 davon in New Orleans im Einsatz sein.
Mit dem Befehl solle die ungezügelte Gewalt in der Stadt durch Plünderer und Randalierer nach der Katastrophe durch Hurrikan "Katrina" eingedämmt werden. Die bereits eingetroffenen 300 Mitglieder der Nationalgarde seien erst kürzlich aus dem Irak zurückgekommen und kampferprobt. Sie seien mit M16-Gewehren bewaffnet, "und die sind geladen".
Polizisten quittieren den Dienst
Nach Angaben des Polizei-Superintendenten von New Orleans, H.L. Whitehorn, haben inzwischen mehrere Polizisten in der Stadt den Dienst quittiert. Diese Beamten hätten selbst alles durch den Hurrikan verloren und sie würden sich nicht auch noch von Plünderern erschießen lassen wollen.
Derweil verstärkt das Militär seine Kräfte in der Stadt. Soldaten wurden von Hubschraubern herabgelassen. Andere Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen übernahmen die Kontrolle in der Altstadt.
Hilfsangebote kamen aus mehr als 20 Staaten, darunter auch aus Deutschland. Bush reagierte zunächst ablehnend. "Ich erwarte viel Anteilnahme und vielleicht schicken ein paar (Länder) Bargeld. Aber dieses Land wird aufstehen und sich um alles kümmern", sagte Bush. Das US-Außenministerium erklärte dann aber, man wolle jede sinnvolle Hilfe annehmen.
Plünderungen und Angriffe auf Rettungskräfte hatten die Evakuierung von New Orleans am Donnerstag teilweise zum Erliegen gebracht. Als Rettungskräfte eine Klinik evakuieren wollten, wurden sie von einem Heckenschützen beschossen. Mehr als 80 Prozent der Stadt stehen unter Wasser. Am Donnerstag waren 234.000 Quadratkilometer entlang der Golfküste zu Katastrophengebieten erklärt, eine Fläche etwa so groß wie Großbritannien. Zwar geht das Wasser in New Orleans langsam zurück. Bergungskräfte erklärten jedoch, es könne noch Monate dauern, bis die Deiche repariert und das Wasser abgepumpt sei.
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